Workshop

Modelle fragmentierter Öffentlichkeit

Der erste Workshop in der Reihe 'Fragmentierte Öffentlichkeit' eröffnet die interdisziplinäre Diskussion, indem er im engeren Sinne öffentlichkeitstheoretische Fragen nach der fragmentierten Öffentlichkeit schlechthin untersucht. Schwindet die Bindungskraft der alten, klassisch massenmedialen Öffentlichkeit - und mit ihr das Vertrauen in Medien, Politik und weitere Institutionen? Lassen sich wechselseitige Vorwürfe wie Fake News und Verschwörungstheorien und das Aufkommen neuer Populismen im Kontext dieser Fragmentierung kritisch verstehen? Der Workshop verbindet Perspektiven aus der Medienwissenschaft, der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft und der Rechtswissenschaft, um über theoretische Annäherungen und Modelle aktueller öffentlicher Kommunikation zu sprechen. Der Workshop richtet sich an Interessent:innen aus allen Fächern und lädt vor allem zur ausführlichen und vielstimmigen Diskussion ein.

Die Diskussion beginnt mit Impulsen von:

  • Prof. Dr. Dietrich Dörr, Medienrecht (Mainz)
  • JunProf. Dr. Martin Fritze, Wirtschaftswissenschaft (Köln)
  • Dr. Steffen Krämer, Medienwissenschaft (Konstanz)
  • Prof. Dr. Isabell Otto, Medienwissenschaft (Konstanz)
  • Dr. David Salomon, Politikwissenschaft (Hildesheim)
  • Benjamin Schäfer, Medienwissenschaft (Konstanz)

Moderation: Prof. Dr. Stephan Packard, Universität zu Köln

Statements

Prof. Dr. Dietrich Dörr, Medienrecht (Mainz):

Es besteht kein Zweifel daran, dass die durch Intermediäre vermittelten Inhalte, seien sie informierender oder unterhaltender Art, professionell aufbereitet oder nicht, für die Information und die Wertvorstellungen der Bürger*innen eine erhebliche und immer weiter zunehmende Rolle spielen. Gerade bei der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen befinden sich Google, Facebook und Co. auf Augenhöhe mit dem klassischen Fernsehen bzw. haben dieses schon überflügelt. Zudem findet ein Zusammenspiel zwischen den durch die Intermediäre massenhaft verbreiteten Inhalten und der Berichterstattung in den klassischen Medien statt. Darüber hinaus sind die großen Intermediäre kampagnenfähig, da sie sich auch selbst zur Wahrnehmung ihrer Interessen ihres Instrumentariums bedienen können. Dieser Umstand findet bisher viel zu geringe Beachtung. Schließlich führt die zunehmende Konzentration in diesem Bereich dazu, dass ihre potentielle Meinungsmacht ganz erheblich angestiegen ist. Damit sind sie für die öffentliche Willensbildung von zentraler Bedeutung und in der Lage, diese in erheblichem Umfang zu beeinflussen.
Nach dem Grundgesetz sind allein die Länder verpflichtet, eine Medienordnung  zu schaffen, die vorherrschende Meinungsmacht verhindert sowie die Vielfalt der bestehenden Meinungen vermittelt. Eine vielfältige und umfassende Information bildet die Grundlage des Kommunikationsprozesses der Bevölkerung und ist damit auch Voraussetzung der durch das Grundgesetz vorgegebenen freiheitlichen Demokratie.
Die bestehenden gesetzlichen Grundlagen zur Sicherung der Meinungsvielfalt in der digitalen Medienwelt weisen im Hinblick auf die Intermediäre erhebliche Defizite auf.
Das fernsehzentrierte Modell des geltenden Medienkonzentrationsrecht wird dem Umstand nicht gerecht, dass vorherrschende Meinungsmacht vor allem auch durch das Zusammenwirken verschiedener Medien entstehen kann. Daher sind die Länder im Interesse einer verfassungsrechtlichen gebotenen effektiven Vielfaltsicherung verpflichtet, ein medienübergreifendes Vielfaltssicherungsrecht zu schaffen, das die Intermediäre einbezieht. Zudem muss der Gesetzgeber den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Bereich der Online-Kommunikation so ausgestalten, dass sie ein vielfaltssicherndes und Orientierung bildendes Gegengewicht zu marktwirtschaftlichen Anbietern bilden können.